Herzchirurgie im Wandel

Von der offenen Herzoperation zur Schlüssellochtechnik

Das menschliche Herz besitzt vier Herzklappen, die als Ventile die Flussrichtung des Blutes vorgeben. Erkranken wir an einer schweren Herzklappenverengung (Stenose) oder -undichtigkeit (Insuffizienz), ist es häufig unumgänglich, die erkrankte Herzklappe zu reparieren oder zu ersetzen. Ansonsten ist die Entwicklung einer lebensbedrohlichen Herzschwäche (Herzinsuffizienz) vorprogrammiert. Lange Jahre war die vollständige Eröffnung des Brustbeines das Standardvorgehen bei einer Herzklappenoperation. Mittlerweile gehören minimal-invasive Zugänge ohne Eröffnung des Brustbeines oder katheterinterventionelle Verfahren zu den gut etablierten Verfahren in der Herzmedizin.

Abhängig von der erkrankten Herzklappe und der Art des Eingriffes kommen verschiedene minimal-invasive Zugänge zur Anwendung.

Wenn eine Herzklappenoperation bevorsteht, werden zunächst wichtige, umfassende Voruntersuchungen durchgeführt. Danach tragen wir alle Befunde zusammen und besprechen im Herzteam, das aus Kardiolog*innen, Herzchirurg*innen, Kardioanästhesist*innen und Radiolog*innen besteht, das Behandlungsverfahren. Unser Ziel ist es, jedem einzelnen Patienten das auf ihn zugeschnittene optimale Therapieverfahren anzubieten.

Herztöne vom 7. November

"Herzchirurgie im Wandel: Von der offenen Herzoperation zur Schlüssellochtechnik"

Prof. Dr. Hassina Baraki

Aortenklappe

Die Aortenklappe wird in Deutschland am häufigsten aufgrund einer hochgradig verkalkten Aortenklappenstenose operiert. Die klassische Operation gilt für viele Patient*innen als Therapie der ersten Wahl mit sehr guten Langzeitergebnissen und niedrigem Operationsrisiko. Die erkrankte und verengte Aortenklappe wird entfernt und durch eine Prothese ersetzt. Es gibt grundsätzlich zwei unterschiedliche Prothesentypen: die mechanische Prothese, bestehend aus Kunststoff und einem Polyesterring sowie die biologische Prothese.

Unabhängig von der Prothesenart kann ein isolierter operativer Aortenklappenersatz minimal-invasiv über eine obere Ministernotomie erfolgen. Hierbei wird nur die obere Hälfte des Brustbeins über eine Länge von ca. 5-8 cm eröffnet. Das weitere operative Vorgehen erfolgt wie bei einem Standardeingriff mit Einsatz der Herzlungenmaschine. Nachdem die Herzlungenmaschine die Herz- und Lungenfunktion vollständig übernommen hat, wird die erkrankte Aortenklappe herausgeschnitten und durch eine Prothese ersetzt. Der Eingriff dauert ca. zwei Stunden.

Bei schwer vorerkrankten, gebrechlichen und alten Patient*innen, wird mittlerweile das seit etwa 8 Jahren angewandte TAVI (Transkatheter-Aortenklappen-Implantation)-Verfahren empfohlen. Hierbei wird eine zusammengefaltete biologische Prothese über einen Katheter durch eine Leistenarterie und die Hauptschlagader bis zum Herzen vorgeschoben und auf Höhe der erkrankten Aortenklappe entfaltet. Die erkrankte verkalkte Klappe verbleibt im Herzen und wird von der neuen Prothese zur Seite gedrückt. Die Prothese verankert sich mit einem Metallgerüst im Gewebe. Da das Verfahren relativ neu ist und noch keine ausreichenden Langzeitergebnisse über die Haltbarkeit dieser Prothesen verfügbar sind, empfehlen die Leitlinien das TAVI-Verfahren bei mittlerem oder höherem OP-Risiko oder für Patient*innen, die älter als 75 Jahre sind.  Bei stark verkalkten oder verengten Leistengefäße kann die TAVI-Prothese minimal-invasiv auch über die Herzspitze (transapikal) vorgeschoben werden. Dazu erfolgt ein ca. 5 cm großer Schnitt links in der Brustfalte. Der Rippenzwischenraum wird eröffnet und man gelangt zur Herzspitze, über die die zusammengefaltete TAVI-Prothese am schlagenden Herzen implantiert wird.

Mitralklappe

Die Mitralklappe trennt den linken Vorhof von der linken Herzkammer. Die schwere Mitralklappenundichtigkeit ist der zweithäufigste Herzklappenfehler bei Erwachsenen. Eine verminderte Schlussfähigkeit der beiden Mitralklappensegel kann verschiedene Ursachen haben. Betroffene leiden meist unter Luftnot bei Belastung oder auch unter Herzrhythmusstörungen. Bei hochgradiger Mitralklappen-insuffizienz ist in der Regel ein herzchirurgischer Eingriff nötig und sinnvoll. Die Mitralklappe kann in den meisten Fällen (>90%) gut repariert werden. Wenn nicht, kann sie durch eine Prothese ersetzt werden. Auch der Mitralklappeneingriff kann in der Regel mit sehr niedrigem Risiko minimal-invasiv über einen kleinen Schnitt in der rechten Brustfalte erfolgen. Die Herzlungenmaschine wird über die Leistengefäße angeschlossen. Am stillstehenden Herzen kann endoskopisch unter guter Sicht mit einer 3D-Kamera die Mitralklappe mit verschiedensten Techniken repariert werden. Damit beide Mitralsegel gut abdichten und einen konstanten Abstand zueinander halten, wird die Mitralklappe immer mit einem sogenannten Anuloplastie-Ring stabilisiert und etwas verkleinert (siehe Abbildung).

Über den gleichen minimal-invasiven Zugang können auch andere herzchirurgische Eingriffe vorgenommen werden. So können Defekte an der Vorhofscheidewand über diese Technik verschlossen werden. Auch bestimmte Verödungs-/Ablationsverfahren, die bei Herzrhythmusstörungen (Vorhofflimmern) eingesetzt werden, können auf diese Weise durchgeführt werden. Die Schlüssellochtechnik eignet sich auch für eine Reparatur der undichten Trikuspidalklappe oder die Entfernung von Blutgerinnseln oder gutartigen Tumoren aus dem Herzen.

Für Patient*innen mit schwer eingeschränkter Pumpfunktion und vergrößerter linker Herzkammer sind in den letzten Jahren moderne katheterbasierte Verfahren (z.B. Mitra-Clipâ Cardiobandâ) für die Behandlung der Mitralklappeninsuffizienz entwickelt worden. Bei diesen Patient*innen ist das Risiko eines herzchirurgischen Eingriffes meist deutlich erhöht.

In den letzten zwei Jahren sind weitere innovative Techniken zur Reparatur oder Ersatz der Mitralklappe entwickelt worden. So können künstliche Sehnenfäden  (Harpoonâ, NeoChordâ) minimal-invasiv über die Herzspitze am schlagenden Herzen ohne Herzlungenmaschine ersetzt werden. Aber auch ein Ersatz der Mitralklappe bei Hoch-risiko-Patienten kann mittlerweile über die Herzspitze durchgeführt werden (Tendyneâ). Neben den hervorragenden kosmetischen Ergebnissen, ist ein Hauptvorteil der minimal-invasiven Herzeingriffe, dass das Brustbein des Patienten vollständig oder zum Teil stabil bleibt. Dadurch können sich die Patient*innen frühzeitig körperlich belasten und erholen sich schneller. Der Genesungsprozess ist kürzer. Anhängig von ihrem Allgemeinzustand können die Patient*innen meist ca. eine Woche nach dem Eingriff in die Reha-Klinik oder nach Hause entlassen werden. 

In enger Absprache mit den Patient*innen und abhängig von den Untersuchungsbefunden, den Vorerkrankungen und des gesamten Krankheitsbildes erarbeiten unsere Expert*innen im Herzteam das beste Therapieverfahren. Der Nutzen und die Risiken sowohl chirurgischer als auch katheterbasierter Verfahren werden für jeden Einzelnen gut abgewogen. Unser Ziel ist es, über die verschiedenen Therapieoptionen gut zu informieren und unter Berücksichtigung der individuellen Wünsche und Bedürfnisse der Patient*innen das beste Therapieverfahren auszuwählen.

Weitere Informationen

Für Fragen steht Ihnen das Infocenter des Herzzentrums der Universitätsmedizin Göttingen gerne zur Verfügung.

Leitende Oberärztin / Stellv. Direktorin / Bereichsleiterin Herzchirurgie

Prof. Dr. med. Hassina Baraki

Prof. Dr. med. Hassina Baraki

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  • Stellvertreterin des Klinikdirektors Prof. Dr. Ingo Kutschka, Bereichsleiterin Herzchirurgie

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