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Mechanische Herzunterstützung fördert Regeneration von Herzmuskelzellen

Ein Studienteam um Priv.-Doz. Dr. Olaf Bergmann aus dem Institut für Pharmakologie und Toxikologie im Herzzentrum der Universitätsmedizin Göttingen (UMG) hat herausgefunden, dass Patient*innen mit fortgeschrittener Herzschwäche durch den Einsatz eines Linksherzunterstützungsgeräts (LVAD), einer mechanischen Pumpe zur Herzunterstützung, eine deutlich erhöhte Regeneration ihrer Herzmuskelzellen erfahren. Die Ergebnisse wurden im Fachjournal „Circulation“ veröffentlicht.

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Die Abbildung zeigt isolierte humane Herzmuskelzellen (rot) mit einem oder zwei Zellkernen (blau). Die Gap Junctions (Connexin 43) sind gelb gefärbt. Bild: umg/olaf bergmann

Herzkrankheiten wie die koronare Herzkrankheit, einer Durchblutungsstörung aufgrund verengter Herzkranzgefäße, Herzschwäche und Herzinfarkt führen häufig zu einem Verlust von Herzmuskelzellen. Diese Zellen sind entscheidend für die Funktion des Herzens, da sie für die Kontraktion und damit für die Blutzirkulation verantwortlich sind. Bei einem gesunden Menschen können sich Herzmuskelzellen um 0,5 Prozent pro Jahr erneuern. Bei erkrankten Personen ist die Fähigkeit des Herzens, sich zu regenerieren, allerdings beeinträchtigt, was zu schwerwiegenden gesundheitlichen Problemen führen kann.

Ein Studienteam unter der Leitung von Priv.-Doz. Dr. Olaf Bergmann, Leiter der Arbeitsgruppe „Regenerative Pharmakologie“ im Institut für Pharmakologie und Toxikologie im Herzzentrum der Universitätsmedizin Göttingen (UMG), hat sich mit der Frage beschäftigt, wie sich die Erneuerung von Herzmuskelzellen bei Patient*innen mit fortgeschrittener Herzschwäche verhält. Die Forscher*innen konnten zeigen, dass die Regeneration der Herzmuskelzellen bei diesen Patient*innen stark eingeschränkt ist – sie ist 18 bis 50 Mal niedriger als in gesunden Herzen. Darüber hinaus untersuchte das Studienteam, ob die Regeneration der Herzmuskelzellen durch die Unterstützung eines sogenannten Linksherzunterstützungssystems (LVAD) beeinflusst wird. Das LVAD ist eine mechanische Pumpe, die das geschwächte Herz dabei unterstützt, Blut durch den Körper zu pumpen. Es wird chirurgisch am linken Ventrikel, der Hauptkammer des Herzens, angebracht und übernimmt einen Teil der Pumpfunktion. „Dabei wurde festgestellt, dass Patientinnen und Patienten, die mit einem LVAD behandelt wurden, eine über sechsmal höhere Erneuerungsrate der Herzmuskelzellen aufwiesen, was mit signifikanten Verbesserungen der Herzfunktion und -struktur einherging“, sagt Dr. Bergmann. Die Ergebnisse der Studie wurden im renommierten Fachjournal „Circulation“ veröffentlicht.

Originalpublikation: 
Wouter Derks, Julian Rode, Sofia Collin, Fabian Rost, Paula Heinke, Anjana Hariharan, Lauren Pickel, Irina Simonova, Enikő Lázár, Evan Graham, Ramadan Jashari, Michaela Andrä, Anders Jeppsson, Mehran Salehpour, Kanar Alkass, Henrik Druid, Christos P. Kyriakopoulos, Iosif Taleb, Thirupura S. Shankar, Craig H. Selzman, Hesham Sadek, Stefan Jovinge, Lutz Brusch, Jonas Frisén, Stavros Drakos, Olaf Bergmann: A latent cardiomyocyte regeneration potential in human heart disease. Circulation. November 21st, 2024. DOI: 10.1161/CIRCULATIONAHA.123.067156

Über die Studie
In der Studie wurden Gewebeproben entnommener Herzen untersucht, die von 52 Patient*innen mit fortgeschrittener Herzschwäche stammten. 28 dieser Patient*innen wurden vor der Herzentnahme mit einem Linksherzunterstützungsgerät (LVAD) behandelt, das heißt das geschwächte Herz wurde vor der Entnahme mechanisch unterstützt. Die anderen 24 Patient*innen wurden vor der Herzentnahme nicht behandelt. Allen 52 Patient*innen wurde nach der Herzentnahme ein neues Herz transplantiert.

Um die Erneuerung der Herzmuskelzellen zu messen, verwendeten die Forscher*innen eine innovative Methode: Sie analysierten die Menge an radioaktivem Kohlenstoff, dem Isotop C-14, in der DNA der Herzmuskelzellen. Dieser radioaktive Kohlenstoff wurde in den 1950er und 1960er Jahre bei Kernwaffentests in die Atmosphäre freigesetzt. Die Spuren dieses Kohlenstoffs sind heute noch in der DNA von Menschen nachweisbar, und somit auch in der DNA der Herzmuskelzellen. Seit dem Verbot von Kernwaffentests sind die Mengen an atmosphärischem Radiokohlenstoff in der DNA wieder zurückgegangen. Anhand der nachgewiesenen radioaktiven Menge dieses Kohlenstoffs in der DNA der jeweiligen Patient*innen konnten die Forscher*innen um Dr. Bergmann mithilfe eines mathematischen Modells das Alter der Herzmuskelzellen und damit die Erneuerungsrate berechnen. 

Bei den Herzgewebeproben von 15 der 28 Patient*innen mit einem LVAD konnte eine sechsmal höhere Erneuerungsrate der Herzmuskelzellen im Vergleich zu Herzgewebeproben gesunder Personen gemessen werden. Die anderen 13 Patient*innen mit LVAD sprachen nicht auf die Behandlung an und zeigten wie die 24 unbehandelten Patient*innen mit schwerer Herzinsuffizienz eine 18 bis 50 Mal niedrigere Regeneration im Vergleich zu gesunden Herzen. Ursächlich für die Verbesserung mit einem LVAD ist wahrscheinlich die mechanische Entlastung, die den Druck auf das geschwächte Herz reduziert und eine bessere Erholung der Herzfunktion ermöglicht. Hinter dem Ergebnis steht zudem das sogenannte „reverse remodeling“, die Umkehr des Umbaus, bei der die krankhafte Vergrößerung des Herzmuskels teilweise rückgängig gemacht wird. „Das LVAD ermöglicht dem Herzen, sich zu erholen. Dies wiederum verbessert die Energieeffizienz und fördert so vermutlich die Regeneration der Herzmuskelzellen, was in den Proben ohne mechanische Unterstützung nicht beobachtet werden konnte“, so Dr. Bergmann.

„Die Bestimmung des radioaktiven Kohlenstoffs, ermöglichte uns die Erneuerung von Herzmuskelzellen präzise zu bestimmen. Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass es trotz der niedrigen Erneuerungsraten in der schweren Herzinsuffizienz ein erhebliches regeneratives Potenzial gibt, das therapeutisch genutzt werden könnte. Diese Erkenntnisse eröffnen neue Perspektiven für die Behandlung von Herzkrankheiten und könnten in Zukunft zu effektiveren Therapien führen, die die Herzregeneration fördern“, ergänzt Prof. Dr. Wolfram-Hubertus Zimmermann, Direktor des Instituts für Pharmakologie und Toxikologie der UMG.


KONTAKT
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Institut für Pharmakologie und Toxikologie
Priv.-Doz. Dr. Olaf Bergmann
Robert-Koch-Straße 40, 37075 Göttingen
Telefon 0551 / 39-13247
olaf.bergmann(at)med.uni-goettingen.de

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