Das Herzzentrum der Universitätsmedizin Göttingen beteiligt sich federführend an der Initiative "Frauenherzen schlagen anders". Als Mitglied des Deutschen Zentrums für Herz-Kreislauf-Forschung haben wir uns das Ziel gesetzt, mit bundesweiter Initiative auch das Wissen um das Frauenherz zu erweitern und zu vertiefen. So können wir Diagnostik und Therapie für die optimale Herzgesundheit unserer Patientinnen nach modernsten Standards verfeinern. Unser Ziel ist es, die naturgegebenen Unterschiede zwischen Frau und Mann noch besser zu beschreiben und diesen Besonderheiten zukünftig noch individueller als bisher in Diagnostik und Therapie unserer Patientinnen und Patienten Rechnung zu tragen.

Frauenherzen warnen anders

Bildquelle: Deutsche Herzstiftung e.V. (N. Schneider)

Die Anzeichen eines Herzinfarkts sind gerade bei Frauen oft kein klassischer Schmerz an der linken Brustseite über dem Herzen. Stattdessen zeigen Frauen in vielen Fällen eine Mischung ganz unterschiedlicher Anzeichen wie z.B. Unwohlsein, Schweißausbruch, Übelkeit, Schwächegefühl mit Einschränkung der Leistungsfähigkeit, aber auch Schmerzen im Unterkiefer oder an der rechten Brustseite. Diese Beschwerden sind von der betroffenen Frau schwer zu erkennen und zu interpretieren. Die Frau verkennt häufig, dass sich ein Herzinfarkt ankündigt.

 Frauen kommen bei einem Herzinfarkt im Mittel etwa eine Stunde später in die Klinik als Männer. Dadurch geht wertvolle Zeit verloren, in der die Funktion des Herzmuskels noch vollumfänglich gerettet werden kann. Ein zu langes Hinauszögern der richtigen Therapie kann zu einem endgültigen Absterben von Teilen des Herzmuskels führen, die unwiederbringlich sind. Vorsicht ist also geboten bei einem neu auftretenden Unwohlsein. Aus diesem Grund sollten alle akut auftretenden starken Schmerzen nach der NAN-Regel – d. h. zwischen Nasenspitze, Arm und Nabel –, die nicht innerhalb von 15 Minuten wieder abklingen, unbedingt abgeklärt werden. Auch immer wiederkehrende Luftnot, die bei körperlicher Belastung im Alltag oder emotionaler Aufregung auftritt, Leistungsschwäche und vermehrte Schweißneigung sollten von Ärztin oder Arzt untersucht werden.

Östrogen schützt Frauenherzen

Lange Zeit ihres Lebens genießt die Frau durch die weiblichen Hormone, insbesondere das Östrogen, einen besseren Schutz vor einem Herzinfarkt als der Mann. Dadurch erleben Frauen durchschnittlich erst zehn Jahre später einen Herzinfarkt als Männer. Also erst zwischen 75 und 80 Jahren. Bis zu den Wechseljahren schützen die weiblichen Hormone vor Verkalkung der Herzadern.

Östrogen sorgt für einen Schutz des Endothels, der Innenhaut der Adern. Mit dem Beginn der Wechseljahre, also etwa durchschnittlich mit 45 bis 50 Jahren, lässt dieser Schutz nach. In den Wechseljahren steigen LDLCholesterin, Blutzucker und Blutdruck. Die steigenden Blutfette bewirken Herzaderverkalkung und können dadurch das Herz der Frau schädigen. Wir wissen bereits, dass sich erhöhter Blutzucker bei der Frau sogar gravierender
auf die Gesundheit der Herzadern auswirkt als beim Mann.

Risikofaktor hoher Blutdruck

Mit den Wechseljahren – und somit sehr viel später als die Männer – entwickeln viele Frauen einen dann für sie überraschend hohen Blutdruck. Ab 60 Jahren haben etwa sechs von zehn Frauen hohen Blutdruck. Der Blutdruck ist gelegentlich auch nur unter Belastung erhöht, während die Blutdruckwerte in Ruhe normal sein können. Hoher Blutdruck ist auch deswegen ein Risikofaktor für das Herz, weil er zur Verdickung der Herzwände führt. Die verdickten Herzwände können dann zu einer sogenannten „diastolischen“ Herzschwäche führen, bei der die Elastizität der Herzkammer verloren geht und sich das Blut in die Lunge zurückstaut. Dies betrifft Frauen etwa doppelt so häufig wie Männer. Beschwerden wie Luftnot und Leistungseinbuße treten sowohl anfallsartig als auch schleichend auf und bleiben oft viel zu lange unerkannt.

Insgesamt steigt in der zweiten Lebenshälfte der Frau das Risiko, aufgrund der einsetzenden Gefäßveränderungen einen Herzinfarkt zu erleiden. Erkrankt eine Frau an einer Durchblutungsstörung des Herzens, dann auch häufig schwerer und mit einem ausgedehnteren Befund an ihren Herzadern als der Mann.

Risikofaktor Psyche

Aber auch psychische Faktoren tangieren das Frauenherz. Emotionaler Stress scheint das Frauenherz deutlich stärker als das Männerherz zu beeinflussen. In der Wissenschaft ist dies bekannt als  „Broken Heart“ – gebrochenes Herz. Starker emotionaler Stress kann bei der Frau Herzschmerzen und Herzschwäche auslösen. Dem Beginn der Erkrankung unmittelbar voraus geht in der Regel starker seelischer oder körperlicher Stress. Zu den häufigsten seelischen Stressfaktoren zählen ein plötzlicher Todesfall in der Familie, heftiger Streit oder die Diagnose einer Tumorerkrankung. Häufige körperliche Stressoren sind Lungenerkrankungen mit extremer Luftnot, Unfälle, Operationen oder eine ungewohnte außerordentliche körperliche Anstrengung.

Interessanterweise sind in 90 Prozent der Fälle Frauen nach den Wechseljahren betroffen. Nach den Wechseljahren reagieren Herz und Blutgefäße der Frau verstärkt auf die Stresshormone. Männer zeigen dieses Krankheitsbild des Broken Heart deutlich seltener.

Mehr zum Thema "psychokardiologische Erkrankungen".

Vorsorge ab 35 Jahren

Wir sehen, dass leider die meisten Frauen in Deutschland an Herz-Kreislauf-Erkrankungen sterben. Daher ist bereits ab dem 35. Lebensjahr eine regelmäßige Vorsorge angeraten. Dies sollte die Messung von Blutdruck, Blutfettwerten und Blutzucker beinhalten. Übrigens trifft dies auch für den Mann zu. Neben dieser Vorsorge ist für die Frau spätestens ab den Wechseljahren eine gesunde Ernährung wichtiger denn je.

Ihre Ansprechpartnerin

Oberärztin

Priv.-Doz. Dr. Anja Sandek

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