Broken-Heart-Syndrom

Kann das Herz wirklich brechen?

Es ist ein sehr trauriger Moment, wenn man von dem Ableben eines geliebten Menschen erfährt. Zu der Verzweiflung gesellt sich plötzlich ein Schmerz. Die linke Seite der Brust tut weh. Das Atmen fällt schwer. Ein diffuser Druck, ein Stechen. Rund 220.000 Menschen erleiden pro Jahr in Deutschland einen Herzinfarkt, etwa 50.000 sterben daran. In gut zwei Prozent der Fälle steckt aber nicht der Herzinfarkt (Verschluss eines Blutgefäßes des Herzmuskels mit der Folge eines Absterbens der Muskulatur), sondern das sogenannte Takotsubo-Syndrom (TTS) hinter der Symptomatik. Gewissheit bringt erst eine Herzkatheter-Untersuchung. Zeigt diese keine Verschlüsse der Herzkranzgefäße und ein typisches Pumpverhalten der Muskulatur, handelt es sich vermutlich um ein „gebrochenes Herz“. Fast ein Viertel der Patienten erleiden in der akuten Phase ernsthafte Komplikationen mit Todesfolge. Erstmals beschrieben wurde das Krankheitsbild des TTS Anfang der 1990er Jahre von zwei japanischen Ärzten. Da die Krankheit oft infolge starker seelischer Belastungen, etwa dem Verlust eines geliebten Menschen auftritt, wird sie auch als „Broken-Heart-Syndrom“ bezeichnet.

Entstehung des TTS und zugrundeliegende Auslöser

Wie dieses Syndrom entsteht, weiß man bislang nicht im Detail. Allerdings konnte bereits 2005 gezeigt werden, dass TTS-Patienten 1-2 Tage nach dem Event 30-fach höhere Konzentrationen von körpereigenen Stresshormonen wie Adrenalin im Vergleich zu Gesunden und 2-4-fach höhere Konzentrationen im Vergleich zu Patienten mit einem Herzinfarkt aufwiesen. Auslöser sind entweder emotionale Momente/Lebensereignisse oder körperliche Trigger. Die emotionalen Stressoren beinhalten negative Ereignisse wie z.B. der Verlust oder Tod eines geliebten Menschen, eine Depression, ein Autounfall, Streit oder aber auch Naturkatastrophen wie ein Erdbeben. Aber auch glückliche Lebenssituationen wie ein Geburtstag oder eine Hochzeit können ein TTS auslösen. Dann spricht man von dem Happy Heart Syndrom. Körperliche Stressoren können mit allen Organen assoziiert sein wie dem Gehirn (Schlaganfall, Migräne) oder der Lunge (Asthma). Aber auch die Geburt eines Kindes, Krebs, oder ein viraler Infekt können ein TTS auslösen. In sehr wenigen Fällen liegt kein identifizierbarer Grund für ein TTS vor.

Abbildung 1:Die Koronarangiographie von Frau Grün zeigt durchgängige Koronarien. Links im Bild ist die rechte Kranzarterie zu sehen und rechts im Bild die linke Kranzarterie.

Abbildung 2: Angiographie des linken Ventrikels zeigt das typische Muster eines apikalen Balloonings. Links im Bild ist eine Kontrastmittelinjektion in die linke Herzkammer über den Herzkatheter zu sehen. Man kann in dieser sogenannten Füllphase des Herzens (Diastole) erkennen, dass sich das Herz gleichmäßig mit Kontrastmittel füllt. In der Mitte ist die Austreibungsphase des Herzens, die sogenannte Systole zu sehen. Hier erkennt man, dass die zur Herzspitze gerichteten Anteile des Herzmuskels nicht an der Herzbewegung teilnehmen (Pfeile). Es kommt zur Ballonierung der Herzspitze („apical ballooning“) und das Bild des Herzens in der Systole erinnert an die rechts zu sehende Tintenfischfalle (Japanisch=Takotsubo).

Überlebensrate und Behandlung des TTS

Während man in der Vergangenheit davon ausging, dass ein TTS folgenlos ausheilt, weiß man heute, dass sich die Überlebensrate der Patienten mit TTS nicht wesentlich von der von Patienten mit Herzinfarkt unterscheidet. Die assoziierte Sterblichkeit von ca. 3,5 Prozent pro Jahr ist beachtlich. Die Behandlung umfasst im Wesentlichen die Kreislaufunterstützung und das Vorbeugen bzw. Behandeln von Herzrhythmusstörungen im Akutereignis und die Behandlung der Herzschwäche im weiteren Krankheitsverlauf. Hierbei ist die Behandlung identisch zu anderen Formen der Herzschwäche- eine individuelle Therapie des TTS ist bisher nicht verfügbar.

Neue Ansätze zur Untersuchung des TTS und zur Entwicklung neuer Therapiestrategien

Um zugrundeliegende Mechanismen zu identifizieren und neue Therapien für Patienten mit TTS zu entwickeln, haben wir im Herzzentrum in den letzten Jahren ein Verfahren etabliert, bei dem Haut- oder Blutzellen von TTS-Patienten in sogenannte „Alleskönnerzellen“ umgewandelt werden. Diese induzierten pluripotenten Stammzellen können dann unter definierten Bedingungen in schlagende Herzmuskelzellen und Herzmuskelgewebe umgewandelt werden (Abbildung 3). Mittels dieses Verfahrens ist es möglich, die Eigenschaften der hergestellten Herzmuskeln mit denen des Takotsubo-Patienten zu vergleichen, da derselbe genetische Hintergrund vorliegt. Die Herzmuskelzellen von TTS-Patienten reagieren viel empfindlicher auf körpereigene Stresshormone und die Desensibilisierung funktioniert nicht mehr so gut wie bei gesunden Menschen. Dieser sogenannte Selbstschutz-Mechanismus macht die Herzmuskelzellen im Normalfall unempfindlich gegen Stresshormone, wenn diese längere Zeit in hohen Mengen auf sie einwirken. Außerdem ist es unter diesen kontrollierten Bedingungen möglich, verschiedene Substanzen oder Medikamente und deren Einfluss auf die Pumpkraft der Zellen und somit das TTS zu untersuchen (Abbildung 3). Durch diese neuen Methoden der Grundlagenforschung beim TTS besteht die Hoffnung, das Überleben der Patienten durch gezielte personalisierte Eingriffe in der Zukunft signifikant zu verbessern.

Abbildung 3:Haut, Haar oder Blutzellen von Takotsubo-Patienten werden zur Herstellung von Herzzellen verwendet, um die zugrundeliegenden Mechanismen des TTS zu untersuchen und neue Therapiestrategien zu entwickeln.

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