Innovative Lehrkonzepte & Lehrforschung

Das Modul 3.1 erfreut sich seit seiner Einführung einer exzellenten Evaluation durch die Studierenden. Die Evaluationsergebnisse liefern aber auch wertvolle Hinweise auf ausbaufähige Aspekte der Lehrveranstaltung. Auf der Basis der studentischen Rückmeldungen und im Zuge der konsequenten Projektion des Göttinger Lernzielkatalogs auf das Modul wurden so in den vergangenen Jahren verschiedene innovative Lehrprojekte etabliert und im Rahmen von Studien zur Ausbildungsforschung wissenschaftlich evaluiert.

Klinisches Denken

„Was würden Sie nun tun?“ – Training der klinischen Entscheidungsfindung

Seit ca. 400 Jahren ist bekannt, dass wiederholtes (Selbst-)Testen den Lernerfolg erhöht – aber erst seit 2008 wird dieser sogenannte Testing Effect systematisch im Zusammenhang mit dem Medizinstudium untersucht. In zahlreichen Studien wurden Studierende wiederholt zu relevanten medizinischen Fakten befragt, und in der Tat konnte so der nachhaltige Lernerfolg gesteigert werden. In Göttingen wurden erstmals 2013 klinische Fallgeschichten konzipiert, die in kurze Abschnitte unterteilt sind. Jeder Abschnitt endet mit einer Frage zum weiteren diagnostischen/therapeutischen Vorgehen. Hier geht es weniger um reines Faktenwissen, sondern eher um die klinische Entscheidungsfindung. Diese „Mini-Prüfungen“ waren nicht benotet, sondern sollten dem Gedächtnistraining dienen. In einer ersten Studie konnte gezeigt werden, dass die Beschäftigung mit diesen realitätsnahen Szenarien anhand von Fragen deutlich effektiver war als das reine Lesen der gleichen Fallgeschichten. In einer weiteren Studie wurden die Patientengeschichten verfilmt; Studierende trainierten nun entweder mit den Filmen oder mit den ursprünglichen Texten. Der zusätzliche Realitätsbezug in den Filmen erhöhte den Lernerfolg noch weiter. Anhand der Falschantworten, die von den Studierenden im Rahmen der unbenoteten Prüfungen gegeben wurden, konnten zudem Inhalte identifiziert werden, die intensiver gelehrt werden müssen. Aktuell werden weitere Patientengeschichten konzipiert, in denen die „Klug entscheiden“-Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin im Mittelpunkt stehen. 

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Podcasts in der Lehre

Studium am Bildschirm – effektive Lehre oder moderne Spielerei?

Im Jahr 2012 wurde in einer führenden Fachzeitschrift vorgeschlagen, die Präsenzlehre im Hörsaal weitgehend durch Online-Podcasts zu ersetzen. Die grundlegende Annahme, dass das Anschauen von Podcasts auch zu einem Lernerfolg führt, war bis zu diesem Zeitpunkt jedoch noch gar nicht wissenschaftlich untersucht. Im Modul 3.1 werden Podcasts zur Vorbereitung von Präsenzveranstaltungen eingesetzt, und im Jahr 2015 konnten wir erstmals zeigen, dass diese Art der Vorbereitung (in Verbindung mit einem Quiz) tatsächlich zu einem nachhaltigen Lernerfolg führt. Der Vorlesungsbesuch selbst war für das Lernen übrigens deutlich weniger wichtig als die Beschäftigung mit dem Stoff im Eigenstudium. 

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Raucherberatung

Raucherberatung – Bedarfsanalyse im Medizinstudium und Verbesserung der Lehre

Von Mitarbeiter*innen der Klinik für Kardiologie und Pneumologie wurde die bisher einzige deutschlandweite Befragung von Medizinstudierenden zum Thema „Rauchen und Tabakentwöhnung“ koordiniert. Hier zeigte sich, dass die diesbezüglichen Wissensinhalte und praktischen Fertigkeiten unzureichend gelehrt werden. Im Vergleich zu anderen häufigen Erkrankungen wie arterieller Hypertonie und Diabetes mellitus fühlten sich Studierende im letzten Jahr ihres Studiums deutlich weniger in der Lage, betroffene Patient*innen leitliniengerecht zu beraten. Da das Rauchen der wesentliche vermeidbare Risikofaktor für kardiologische und pneumologische Erkrankungen ist, bildete diese Studie den Ausgangspunkt für intensive Bemühungen, die Lehre zu verbessern. In diesem Zusammenhang wurde in Göttingen ein modernes Curriculum entwickelt, das neben einem Podcast und praktischen Übungen in Kleingruppen auch eine interaktive Vorlesung mit zugeschalteten Gastdozierenden aus Großbritannien beinhaltete. Eine vergleichende Studie belegte den klaren Vorteil des neuen Lehrkonzepts gegenüber der herkömmlichen Lehre; auch sechs Monate nach dem Modul verfügten Studierende in der Interventionsgruppe über deutlich bessere praktische Fertigkeiten als Studierende in der Kontrollgruppe.


Studierende lehren Studierende

„Studierende lehren Studierende“ – die Erkundung der Herzstromkurve

Im Wintersemester 2008/09 wurden erstmals studentische Tutor*innen in der EKG-Lehre eingesetzt. Anstatt wie bisher üblich im Hörsaal konnten 50 Prozent aller Studierenden die Interpretation des Elektrokardiogramms in Kleingruppen unter Supervision durch ältere Kommiliton*innen trainieren.

Der Lernerfolg dieser Studierenden wurde anhand der Ergebnisse einer neuartigen, lernziel-kongruenten Prüfung mit dem Lernerfolg derjenigen Studierenden verglichen, die den traditionellen Vorlesungsunterricht erhalten hatten. 

Weiterführende Untersuchungen haben gezeigt, dass die Intensität der Lehre einen deutlich geringeren Einfluss auf den studentischen Lernerfolg hat als die Art der Prüfung am Ende des Moduls. So bedingte eine benotete Prüfung sogar im Kontext reinen Selbststudiums einen beträchtlichen Lernerfolg. Dieser Effekt war auch noch einige Wochen nach Modulende nachweisbar.


Minimalinvasive Stundenplan-Chirurgie

„Minimalinvasive Stundenplan-Chirurgie“ – sechs Stunden sind nicht sechs Stunden

Das aktuelle didaktische Konzept für den Unterricht am Krankenbett entstand im Rahmen eines Pilotprojektes, dessen Ziel eine Orientierung des klinischen Unterrichts an den Stanford-Kriterien für gute Lehre war.

Der ursprüngliche Stundenplan wurde so umgestellt, dass in der Erwachsenenkardiologie jedem Studierenden nicht mehr zwei dreistündige, sondern nunmehr vier 90-minütige UaK-Termine angeboten wurden. Konstante Gruppen von acht bis zehn Studierenden werden nun wochenweise von fest zugeteilten klinischen Lehrpersonen unterrichtet; der Unterricht folgt einem inhaltlichen Konzept, mit dem die Dozierenden vorab vertraut gemacht werden.

Bei gleichbleibender zeitlicher Belastung für Studierende und Dozierende ließ sich durch diese „minimalinvasive Stundenplan-Chirurgie“ eine hochsignifikante und effektstarke Verbesserung der Evaluation des Unterrichts am Krankenbett erzielen.


KPL interaktiv

„KPL interaktiv“ – der virtuelle Patient

Mit Hilfe eines Learning-Management-Systems wurde Studierenden die Möglichkeit gegeben, im direkten Online-Dialog miteinander und mit einer klinischen Lehrperson die Diagnose eines Patienten bzw. einer Patientin zu stellen, der*die sich aufgrund von Dyspnoe bei einer hausärztlichen Praxis vorstellte. Alle Untersuchungsbefunde waren online erhältlich, und die studentischen Teilnehmenden des webbasierten Lehrmoduls erhielten eine Rückmeldung über die von ihnen in der Diagnostik verursachten Kosten.

Während eine Pilotstudie Hinweise darauf erbrachte, dass die Teilnehmer*innen des Online-Moduls in einer späteren Klausur besser abschnitten als andere Studierende, ließ sich dieser Effekt in einer randomisierten Studie mit kongruenter Prüfungsform (Key-Feature-Fragen) nicht reproduzieren.

Aufgrund des hohen technischen Aufwands und des verhältnismäßig geringen Nutzens wird „KPL interaktiv“ zurzeit nicht angeboten; im Rahmen der aktuellen Bemühungen um ein breiteres E-Learning-Angebot an der Universitätsmedizin Göttingen wird aber eine Neuauflage mit modifiziertem Format erwogen.


Modellcurriculum „Facharzt-Weiterbildung Kardiologie und Habilitation“

Die Universitätsmedizin Göttingen hat in Kooperation mit der Landesärztekammer Niedersachsen ein Modellcurriculum etabliert, das die ärztliche Weiterbildung im Fach Innere Medizin und Kardiologie sowie die wissenschaftliche Tätigkeit mit dem Ziel der Habilitation strukturiert. Das Gesamtcurriculum erstreckt sich über acht Jahre, davon fünfeinhalb Jahre Weiterbildung und zweieinhalb Jahre Forschung.

Das Curriculum sieht zunächst einen 16-monatigen Block für die Weiterbildung im Fach der Inneren Medizin inklusive kardiologischer Weiterbildungsinhalte vor. Anschließend werden die Mediziner*innen für insgesamt 24 Monate für eine Phase der wissenschaftlichen Tätigkeit freigestellt. Es folgt ein weiterer klinischer Abschnitt zur Weiterbildung in Kardiologie mit anschließender Freistellungsphase zur Fortführung der wissenschaftlichen Tätigkeit. Letztere hat zum Ziel, eine kumulative Habilitationsschrift zu erstellen.

Zudem sieht das Modellcurriculum die kontinuierliche Teilnahme an klinischen Fortbildungsveranstaltungen und an wissenschaftlichen Veranstaltungen vor.

Im Individualfall kann der Aufbau des Curriculums beliebig modifiziert werden, sofern die Gesamtzeiten für klinische Weiterbildung und Forschung beibehalten werden.

In Zusammenarbeit mit anderen Universitätskliniken, der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie und dem Deutschen Zentrum für Herz-Kreislauf-Forschung wird ein wissenschaftliches Ausbildungsprogramm zu den Grundlagen der Herz-Kreislauf-Forschung angeboten, um eine breite wissenschaftliche Basis für Mediziner*innen in der kardiovaskulären Forschung zu sichern. Hierzu gibt es drei Veranstaltungen pro Jahr, in denen Mediziner*innen in der kardiovaskulären Forschung die relevanten Forschungsaspekte methodenfokussiert vermittelt werden.

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