| Presseinformation Nr. 058 / 2020

Klappenersatz bei Aortenstenose: Neue Erkenntnisse über den Behandlungserfolg von TAVI

Neue Erkenntnisse über Einflüsse von Transkatheter-Aortenklappenimplantation (TAVI) auf den Behandlungserfolg bei Patient*innen mit Aortenstenose. Ergebnisse der seit 2017 vom Herzzentrum der Universitätsmedizin Göttingen (UMG) durchgeführten Studie im renommierten European Heart Journal veröffentlicht.

Prof. Dr. Miriam Puls, Oberärztin der Klinik für Kardiologie und Pneumologie und Erstautorin der Studie.
Prof. Dr. Miriam Puls, Oberärztin der Klinik für Kardiologie und Pneumologie und Erstautorin der Studie. Bild: hzg/lange

(umg) Die Aortenklappenstenose ist die häufigste Herzklappenerkrankung im höheren Erwachsenenalter. Ist die Aortenklappe verengt, kann das Blut nicht mehr ausreichend in den Körper gepumpt werden. Hierdurch kommt es bei den Betroffenen häufig zu Luftnot, starken Brustschmerzen und Schwindel bis hin zur Bewusstlosigkeit. Um das Herz-Kreislauf-System bei einer Mehrbelastung zu stabilisieren, passt sich der Herzmuskel an (Kardiales Remodeling). Bei einer Aortenstenose wird die Belastung chronisch und es kann zu einer fortschreitenden krankhaften Veränderung des Herzmuskels kommen. Diese zeigt sich unter anderem als eine sogenannte Myokardfibrose: Dabei wird das gesunde Herzgewebe durch funktionsloses Bindegewebe ersetzt und der Muskel verhärtet. Eine chronische Herzschwäche ist die Folge. Daher sollte eine fortgeschrittene Aortenstenose schnell behandelt werden.

In den vergangenen zehn Jahren hat sich der kathetergestützte Aortenklappenersatz (TAVI) über die Leistenarterie als Alternative zum chirurgischen Eingriff bei einer fortgeschrittenen Aortenstenose durchgesetzt. Bei diesem besonders schonenden Verfahren wird die verkalkte Aortenklappe zur Seite gedrückt und eine neue Herzklappe mittels Katheter in Position gebracht.

Ärzt*innen des Herzzentrums der UMG haben seit 2017 in einer Studie untersucht, welchen Einfluss die Myokardfibrose auf die Umbauprozesse des Herzens hat und wie sie sich auf die Behandlungsergebnisse von Patient*innen mit schwerer Aortenstenose nach einer TAVI auswirkt. Dabei fanden sie heraus: Die krankhafte Vermehrung des Bindegewebes im Herzen scheint eine wichtige Rolle für die Überlebenswahrscheinlichkeit nach einer TAVI-Prozedur darzustellen und verlangsamt die Rückbauprozesse des Herzens. Die Ergebnisse wurden nun im renommierten European Heart Journal veröffentlicht.

Originalveröffentlichung: Miriam Puls, Bo Eric Beuthner, Rodi Topci, Anja Vogelgesang, Annalen Bleckmann, Maren Sitte, Torben Lange, Sören Jan Backhaus, Andreas Schuster, Tim Seidler, Ingo Kutschka, Karl Toischer, Elisabeth Zeisberg, Claudius Jacobshagen, Gerd Hasenfuß: Impact of myocardial fibrosis on left ventricular remodelling, recovery, and outcome after transcatheter aortic valve implantation in different haemodynamic subtypes of severe aortic stenosis. European Heart Journal (2020), doi: 10.1093. February 12th, 2020.

„Die Ära der Katheter-basierten Herzklappenimplantation hat die Charakteristika der Aortenstenose-Patienten demografisch und klinisch stark verändert. Wir behandeln zunehmend ältere und krankere Patienten. Jedoch lagen bislang keine Daten vor, die den Einfluss der Myokardfibrose auf die Ergebnisse des TAVI-Verfahrens auswerten und bewerten. Jetzt haben wir einen neuen therapeutischen Ansatzpunkt und werden umgehend eine Therapiestudie in Ergänzung zum Klappenersatz beginnen“, sagt Prof. Dr. Gerd Hasenfuß, Direktor der Klinik für Kardiologie und Pneumologie, Vorsitzender des Herzzentrums der UMG und Letztautor der Studie.

Studienablauf

100 Studien-Patient*innen wurde während des kathetergestützten Aortenklappenersatzes (TAVI) zusätzlich eine Gewebeprobe aus der linken Herzhauptkammer entnommen. Die Probe diente dazu, einen möglichen Zusammenhang zwischen der Myokardfibrose, dem Remodeling und den klinischen Ergebnissen nach TAVI zu untersuchen. Nach histologischer Auswertung der Gewebeproben wurde der Langzeitverlauf von Patient*innen mit prozentualem Fibroseanteil in der oberen Hälfte aller gemessenen Werte mit dem von Patient*innen in der unteren Hälfte (d.h. oberhalb und unterhalb des Zentralwertes bzw. Medians) verglichen. Dabei wurde herausgefunden, dass Personen mit Myokardfibrose oberhalb des Medians ein sehr viel höheres Risiko hatten, im Verlauf nach TAVI an einer Herz-Kreislauf-bedingten Ursache zu versterben. So lag die kardiovaskuläre Sterblichkeit im ersten Jahr nach TAVI bei Patient*innen mit Myokardfibrose oberhalb des Medians bei 26,5 Prozent, bei denjenigen mit Werten unterhalb des Medians betrug sie nur zwei Prozent.

Zudem zeigte sich, dass die Myokardfibrose zwar eine Verzögerung bei der Normalisierung des Aufbaus und der Funktion des Herzmuskels verursachte. Die TAVI-Prozedur aber selbst rief bei Patient*innen mit einer Fibrose oberhalb des Zentralwertes aller im Studienkollektiv ermittelten Fibrosewerte eine signifikante Verbesserung hervor.

Neuer therapeutischer Ansatz

Den Ergebnissen zufolge scheint der Zustand des Herzmuskels eine viel bedeutendere Rolle für das Überleben nach einem Klappenersatz zu spielen als bisher angenommen. Die Aortenstenose ist nicht nur eine Klappenerkrankung, sie ist auch eine Erkrankung der linken Hauptkammer. „Mit diesen Ergebnissen sollte ein neuer therapeutischer Ansatz erwogen werden, um das Langzeitüberleben von Patient*innen nach TAVI zu verbessern. In der Vergangenheit scheinen wir der linken Herzkammer nach TAVI zu wenig Aufmerksamkeit gewidmet zu haben. Bislang gibt es keine konkrete Behandlung der Myokardfibrose, daher sollten anti-fibrotische Medikationen unbedingt in zukünftigen Studien getestet werden“, sagt Prof. Dr. Miriam Puls, Oberärztin der Klinik für Kardiologie und Pneumologie der UMG und Erstautorin der Studie.

 

WEITERE INFORMATIONEN
Universitätsmedizin Göttingen, Georg-August-Universität
Klinik für Kardiologie und Pneumologie
Prof. Dr. Miriam Puls, Oberärztin
Telefon 0551 / 39-10958
E-Mail: dr.m.puls(at)med.uni-goettingen.de

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