| Presseinformation Nr. 161 / 2021

Neue medikamentöse Therapiemöglichkeiten bei Herzmuskelfibrose auf dem Prüfstand

1,8 Millionen Euro Förderung vom Deutschen Zentrum für Herz-Kreislauf-Forschung (DZHK) für Forscherinnen des Herzzentrums der Universitätsmedizin Göttingen für Medikamentenstudie REDUCE-MFA-DZHK25 zur Behandlung von Herzmuskelfibrose. Aufnahme erster Patient*innen in die Studie: ab Anfang 2022

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v.l.: Prof. Dr. Miriam Puls, Geschäftsführende Oberärztin der Klinik für Kardiologie und Pneumologie, und Prof. Dr. Elisa-beth Zeisberg, Leiterin der Arbeitsgruppe „Kardiales Stroma“, Klinik für Kardiologie und Pneumologie der Universitätsmedizin Göttingen. Bild: umg/hzg

(umg) Die Verengung der Aortenklappen (Aortenklappenstenose) ist die häufigste Herzklappenerkrankung im höheren Erwachsenenalter. Ist die Aortenklappe verengt, kann das Blut nicht mehr ausreichend in den Körper gepumpt werden. Es kommt zu Luftnot, starken Brustschmerzen und Schwindel bis hin zur Bewusstlosigkeit. Um das Herz-Kreislauf-System bei einer Mehrbelastung zu stabilisieren, passt sich der Herzmuskel an (Kardiales Remodeling). Bei einer Aortenklappenstenose wird die Belastung chronisch und es kann zu einer fortschreitenden krankhaften Veränderung des Herzmuskels kommen: eine Herzmuskelfibrose (Myokardfibrose) entsteht. Dabei wird gesundes Herzgewebe durch funktionsloses Bindegewebe ersetzt und der Herzmuskel verhärtet. Eine chronische Herzschwäche ist die Folge. Daher sollte eine fortgeschrittene Aortenklappenstenose schnell behandelt werden. In den vergangenen zehn Jahren hat sich der kathetergestützte Aortenklappenersatz, die sogenannte Transkatheter-Aortenklappenimplantation (kurz: TAVI), als (schonende) Alternative zum chirurgischen Eingriff bei einer fortgeschrittenen Aortenklappenstenose insbesondere zur Behandlung von älteren Patient*innen durchgesetzt.

Göttinger Wissenschaftlerinnen am Herzzentrum der Universitätsmedizin Göttingen (UMG) konnten auf Grundlage erster umfassender Studiendaten den Einfluss der Herzmuskelfibrose auf die Prognose nach TAVI bewerten. Sie prüfen nun erstmals eine ergänzende medikamentöse Therapie zur Behandlung von Herzmuskelfibrose, um das Langzeitüberleben von Patient*innen nach TAVI zu verbessern. Das Vorhaben wird als Medikamentenstudie unter dem Kurztitel „Reduce Myocardial Fibrosis in Aortic stenosis“ REDUCE-MFA-DZHK 25 vom Deutschen Zentrum für Herz-Kreislauf-Forschung (DZHK) mit rund 1,8 Millionen Euro gefördert. Das Projekt leiten Prof. Dr. Miriam Puls und Prof. Dr. Elisabeth Zeisberg, beide Klinik für Kardiologie und Pneumologie der UMG. Neben der Klinik für Kardiologie und Pneumologie am Herzzentrum der UMG nehmen 17 weitere Zentren in ganz Deutschland teil. Die Studie ist Anfang Oktober 2021 gestartet und läuft voraussichtlich bis Ende Juni 2025. Die ersten Patient*innen werden ab Anfang 2022 in die Studie aufgenommen.

Forscher*innen und Ärzt*innen des Herzzentrums der UMG hatten bereits von 2017 bis 2019 untersucht, welchen Einfluss die Herzmuskelfibrose (Myokardfibrose) auf die Umbauprozesse des Herzens hat und wie sie sich auf die Behandlungsergebnisse von Patient*innen mit schwerer Aortenklappenstenose nach einer TAVI-Prozedur auswirkt. Dabei fanden sie heraus: Die krankhafte Vermehrung von funktionslosem Bindegewebe im Herzen lässt sich offenbar durch den Ersatz der Klappe allein nicht vollständig zurückbilden. Das Ausmaß der Bindegewebsvermehrung verlangsamt aber die Erholung des Herzens und spielt eine wichtige Rolle für die Überlebenswahrscheinlichkeit und die weitere Prognose der Patient*innen.

„Für die Schädigung des Herzmuskels durch eine Aortenklappenverengung gibt es derzeit keine Therapie, die über den Herzklappenersatz und die Hoffnung auf spontane Erholung hinausgeht. Wir wollen nun prüfen, ob eine zielgerichtete Behandlung der Herzmuskelfibrose mit anti-fibrotischen Medikamenten erfolgreich ist“, sagt Prof. Dr. Miriam Puls, geschäftsführende Oberärztin der Klinik für Kardiologie und Pneumologie der UMG.

Die Studie REDUCE-MFA-DZHK25

Im Rahmen der Studie REDUCE-MFA-DZHK25 sollen zwei Medikamente näher auf ihre Wirksamkeit bei Herzmuskelfibrose untersucht werden: Das Medikament Spironolacton ist seit langem zugelassen, kommt bereits bei genereller Herzschwäche zum Einsatz, wurde bislang aber nicht für Aortenklappenverengungen erforscht. Zudem soll das Medikament Dihydralazin getestet werden, das für dieses Anwendungsgebiet neu ist. Das Medikament gilt als gut verträglich und wird für die Behandlung von Bluthochdruck verschrieben. Erst vor kurzem hat die Arbeitsgruppe „Kardiales Stroma“ unter der Leitung von Prof. Dr. Elisabeth Zeisberg, Klinik für Kardiologie und Pneumologie der UMG, erkannt, dass Dihydralazin in sehr geringer Dosierung offenbar in der Lage ist, Organ-Fibrosierung zu behandeln. „Insgesamt könnte die Prüfmedikation zu einer verbesserten Erholung des Herzens von der Herzklappenerkrankung und somit zu einer verbesserten Lebensqualität führen“, sagt Prof. Dr. Zeisberg.

„Da nur Patient*innen mit fortgeschrittener Herzmuskelfibrose einen ungünstigen Langzeitverlauf haben und potentiell von dieser neuartigen Behandlung profitieren könnten, wird vor dem geplanten Herzklappeneingriff bei Studieneinschluss zunächst der Grad der Herzmuskelfibrose mittels Magnetresonanztomographie (Herz-MRT) untersucht“, sagt Prof. Dr. Miriam Puls. Wenn die Herzmuskelfibrose einen kritischen Schwellenwert überschreitet, erfolgt per Zufallsverfahren die Zuteilung der Studienteilnehmer*innen zu einem der drei Behandlungsarme: Kontrollgruppe (optimale Standardtherapie), Spironolacton (25 mg pro Tag), oder Spironolacton (25 mg pro Tag) und Dihydralazin (zweimal 12,5 bis 25 mg pro Tag). Bei geringer Herzmuskelfibrose wird keine Studienmedikation verabreicht, da davon kein zusätzlicher Nutzen zu erwarten ist. Alle Patient*innen erhalten die erforderliche Klappenimplantation (TAVI). Nach zwölfmonatiger Behandlung mit der Studienmedikation erfolgt eine erneute Untersuchung der Herzmuskelfibrose mittels MRT und die Werte der Studienteilnehmer*innen werden mit den jeweiligen Ausgangswerten verglichen. Abschließend wird evaluiert, ob in den beiden Studienarmen mit Studienmedikation im Vergleich zur Kontrollgruppe eine größere Rückbildung der Herzmuskelfibrose zu verzeichnen ist und ob sich dies auch auf die Erholung des Herzens sowie die Lebensqualität und die Überlebensrate der Patient*innen auswirkt.

„Ich freue mich außerordentlich über die Förderung dieser wichtigen Studie von Professorin Puls und Professorin Zeisberg. Alle klinischen und wissenschaftlichen Grundlagen für die Studie basieren auf Forschungsergebnissen aus dem Herzzentrum Göttingen. Im Falle einer Bestätigung der erwarteten Ergebnisse hätten wir ein neues personalisiertes Behandlungsverfahren für TAVI-Patient*innen mit einem hohen Grad der Fibrose und hohem Risikopotential entwickelt“, sagt Prof. Dr. Gerd Hasenfuß, Direktor der Klinik für Kardiologie und Pneumologie und Vorsitzender des Herzzentrums der UMG.

HINTERGRUNDINFORMATION

Die Studie mit ersten umfassenden Erkenntnissen über den Behandlungserfolg von TAVI wurde im Mai 2020 im renommierten European Heart Journal veröffentlicht.

Originalveröffentlichung: Miriam Puls, Bo Eric Beuthner, Rodi Topci, Anja Vogelgesang, Annalen Bleckmann, Maren Sitte, Torben Lange, Sören Jan Backhaus, Andreas Schuster, Tim Seidler, Ingo Kutschka, Karl Toischer, Elisabeth Maria Zeisberg, Claudius Jacobshagen, Gerd Hasenfuß. Impact of myocardial fibrosis on left ventricular remodeling, recovery, and outcome after transcatheter aortic valve implantation in different haemodynamic subtypes of severe aortic stenosis. Eur Heart J 2020; 41:1903.1914. doi: 10.1093. February 12th, 2020

 

WEITERE INFORMATIONEN
Universitätsmedizin Göttingen, Georg-August-Universität
Klinik für Kardiologie und Pneumologie
Prof. Dr. Miriam Puls, geschäftsführende Oberärztin
Telefon 0551 / 39-10958, E-Mail: dr.m.puls(at)med.uni-goettingen.de

Prof. Dr. Elisabeth Zeisberg, Arbeitsgruppenleiterin „Kardiales Stroma“
Telefon 0551 / 39-20076, E-Mail: elisabeth.zeisberg@med.uni-goettingen.de

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