Niedersächsischer Wissenschaftspreis geht an Psychosomatikerin der Universitätsmedizin Göttingen
Dr. Monika Sadlonova, Oberärztin in der Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, in der Klinik für Herz-, Thorax- und Gefäßchirurgie sowie in der Klinik für Geriatrie der Universitätsmedizin Göttingen (UMG), hat den mit 20.000 Euro dotierten Wissenschaftspreis Niedersächsischen 2024 in der Kategorie II – Wissenschaftler*in in einer frühen Karrierephase an einer niedersächsischen Universität oder gleichgestellten Hochschule erhalten. Die Psychosomatikerin mit psychokardiologischem Schwerpunkt erhält die Auszeichnung für ihre Verdienste in der Hochschulentwicklung mit Schwerpunkt auf der strukturbildenden inner- und interinstitutionellen Zusammenarbeit, also die fachübergreifende Forschung und Lehre im Bereich der Psychosomatik in der Herzmedizin. Jährlich nominieren die niedersächsischen Universitäten und Hochschulen für die unterschiedlichen Kategorien Persönlichkeiten, die sich in besonderer Weise um die Hochschulentwicklung und durch herausragende wissenschaftliche Arbeit verdient gemacht haben.Die Preisverleihung fand am Mittwoch, dem 20. November 2024, im Landesmuseum Hannover statt.
„Wissenschaft bietet die Werkzeuge und das Wissen, die es uns ermöglichen, die Welt um uns herum zu verstehen und zu gestalten. Die Wissenschaft leistet einen erheblichen Beitrag dazu, dass Demokratien funktionieren, sie treibt Innovationen voran, die wir brauchen, um als Wirtschaftsstandort wettbewerbsfähig zu sein. An unseren Hochschulen entstehen dafür täglich neue Ideen, neues Wissen und neue Technologien. Mit dem Wissenschaftspreis Niedersachsen zeichnen wir Persönlichkeiten aus, die mit ihren hervorragenden Leistungen hierzu wichtige Beiträge leisten – in Forschung, Transfer, Lehre oder Studium. Sie schaffen wissenschaftlich-technologische Grundlagen für Schlüsseltechnologien, finden Lösungswege für Herausforderungen rund um unsere wichtigste Ressource Wasser, tragen mit ihren Erkenntnissen zu neuen Therapiekonzepten bei: Die diesjährigen Preisträgerinnen und Preisträger zeigen eindrucksvoll auf, wie unsere Wissenschaft in Niedersachsen eine treibende Kraft für die Entwicklung unseres Landes ist und dazu beiträgt, das Leben in Niedersachsen jeden Tag ein Stück besser zu machen. Und die Preisträgerinnen und Preisträger zeigen auf: An unseren Hochschulen werden die gut qualifizierten und engagierten Fachkräfte ausgebildet, die wir für unseren wirtschaftlichen Fortschritt und die öffentliche Daseinsvorsorge benötigen. Ich gratuliere allen Ausgezeichneten ganz herzlich“, würdigt Falko Mohrs, Niedersächsischer Minister für Wissenschaft und Kultur, die Preisträger*innen.
„Frau Dr. Sadlonova hat in ihrer noch jungen Karriere durch außergewöhnliches Engagement, interdisziplinäre Forschung und neue Ansätze in der Verbindung von Psychosomatik, Herz- und Altersmedizin bereits beeindruckende Erfolge erzielt. Mit der Übertragung ihrer Forschungsergebnisse in die Praxis trägt sie maßgeblich zu besseren Behandlungsmaßnahmen zum Wohle unserer Patientinnen und Patienten an der Universitätsmedizin Göttingen bei. Wir freuen uns, dass ihr unermüdlicher Einsatz und ihre wissenschaftliche Arbeit nun auch landesweite Anerkennung findet“, sagt Prof. Dr. Wolfgang Brück, Sprecher des Vorstandes und Vorstand Forschung und Lehre der UMG. „Ihre außergewöhnlichen zwischenmenschlichen Kompetenzen und ihre Fähigkeit zur interdisziplinären Zusammenarbeit machen sie zu einer wertvollen Bereicherung für die Universitätsmedizin und die gesamte Forschungsgemeinschaft. Durch ihre eindrucksvolle einrichtungsübergreifende Zusammenarbeit in Verbindung mit nationalen und internationalen Kooperationen hat sie innovative Strukturen geschaffen, die dafür stehen, medizinische Versorgung in der Herzmedizin neu zu denken.“
Klinische Tätigkeit
Dr. Monika Sadlonova ist als psychosomatische Oberärztin in der Klinik für Herz-, Thorax- und Gefäßchirurgie mit Schwerpunkt auf psychosomatische Behandlung von Patient*innen vor und nach herzchirurgischen Eingriffen tätig. Zudem ist sie für die psychosomatische Einschätzung zur Eignung für eine Herztransplantation und die Begleitung dieser Patient*innen vor und nach der Operation zuständig. Sie führte die spezialisierte Psychosomatische Ambulanz nach herzchirurgischen Eingriffen ein, um psychisch belastete Patient*innen zu unterstützen. Zu ihren klinischen Schwerpunkten gehört ebenfalls die nicht-medikamentöse und medikamentöse Delirbehandlung im Kontext von herzchirurgischen Eingriffen.
Forschung im Detail
Im Rahmen ihrer Forschungsaktivitäten hat Dr. Sadlonova bereits mehrere Studien koordiniert, unter anderem die vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderte und an der UMG initiierte TEACH-Studie, die in mehreren klinischen Zentren in Deutschland durchgeführt wird. Patient*innen mit erhöhter psychischer Belastung und mindestens einem unzureichend kontrollierten kardiovaskulären Risikofaktor für die koronare Herzkrankheit (KHK), zum Beispiel Bluthochdruck, Mangel an körperlicher Bewegung oder erhöhte Blutfettwerte, wurden ein Jahr lang am Telefon durch eine Behandlungsassistentin dabei unterstützt, ihren Behandlungsplan in die tägliche Routine umzusetzen, einen besseren Umgang mit Stress zu erlernen, gesunde Verhaltensweisen in ihren Lebensstil einzupassen und die Kommunikation zwischen den behandelnden medizinischen Fachpersonen zu erleichtern (DOI: 10.1186/s12872-020-01810-9). Die Ergebnisse werden Anfang 2025 erwartet. Zudem koordinierte sie die von der Deutschen Herzstiftung geförderte „Intervention for CABG to Optimize Patient Experience“ (I-COPE)-Studie, die an der UMG mit Patient*innen kurz vor Bypass-Operationen durchgeführt wurde. Die Studie ergab, dass begleitende psychologische Gespräche sowie optimierende Maßnahmen wie zum Beispiel eine Lichttherapie, eine Virtual-Reality-Brille zur Ansicht von Landschaften und lärmreduzierende Kopfhörer zu einer Verkürzung der stationären Behandlungsdauer nach der Bypass-Operation führen. Zudem wird dadurch das Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten der Patient*innen gestärkt, herausfordernde Situationen im postoperativen Heilungsprozess meistern zu können (DOI: 10.1093/ejcts/ezac041).
In der fachübergreifenden Forschung mit Fokus auf älteren Patient*innen in der Herzmedizin wurde im Jahr 2022 die von dem Gemeinsamen Bundesausschuss geförderte PRECOVERY-Studie von der Klinik für Geriatrie der UMG initiiert. Dr. Sadlonova ist ärztliche Leitung und stellvertretende Studienleiterin des an mehreren deutschen Zentren durchgeführten Projektes mit dem Ziel, den Gesundheitszustand herzkranker Patient*innen über 65 Jahren langfristig durch eine gezielte und ganzheitliche Vorbereitung auf einen Eingriff am Herzen zu verbessern (DOI: 10.1186/s13063-023-07511-w). Zudem ist sie zusammen mit Dr. Carolin Steinmetz, Sportwissenschaftlerin in der Klinik für Geriatrie der UMG, an der Initiierung eines über drei Jahre von der DFG-geförderten Netzwerks mit 18 nationalen und internationalen Expert*innen beteiligt. Gemeinsam soll ein Leitfaden zu empfohlenen Vorgehensweisen zur Vorbereitung auf einen geplanten Eingriff am Herzen festgehalten werden. In einer weiteren von der Deutschen Herzstiftung geförderten „FINDERI – FInd DElirium RIsk factors“Beobachtungsstudie (DOI: 10.1186/s12872-022-02732-4) arbeiten mehrere Kliniken der UMG fachübergreifend zusammen, um präoperative Risikofaktoren und blutbasierte Biomarker für die Entstehung eines Delirs und einer kognitiven Dysfunktion nach Herzoperationen zu erforschen (DOI: 10.1016/j.jagp.2023.12.017). Im Rahmen der Delirforschung wird aktuell unter der Leitung von Dr. Sadlonova die von der Fakultätsinternen Forschungsförderung finanzierte „PREVENT POstoperative Delirium“ (PREVENT-POD)-Studie zur Untersuchung der Machbarkeit, Akzeptanz und vorläufigen Wirksamkeit eines nicht-medikamentösen Delirpräventionsprogramms vorbereitet, das auf unterschiedlichen Behandlungsansätzen wie beispielsweise psychologischer Vorbereitung und Atemtherapie vor der Herzoperation sowie Gedächtnistraining, täglicher Reorientierung und intensivierter Physiotherapie nach dem herzchirurgischen Eingriff basiert. Das Programm namens AKTIVER Heart soll bei Patient*innen im Alter von 65 Jahren oder älter mit einer Indikation zu einem herzchirurgischen Eingriff durchgeführt werden. In einem systematischen Review konnte sie zudem in Zusammenarbeit mit Kolleg*innen der UMG, der Harvard Medical School und des Massachusetts General Hospital in Boston (USA) einen Überblick über pharmakologische Behandlungsoptionen für Delir-Symptome erarbeiten (DOI: 10.1016/j.genhosppsych.2022.10.010).
Lehre
Ihre fächerübergreifende Forschungspraxis und klinische Expertise vermittelt Dr. Sadlonova auch als Dozentin im Studium der Humanmedizin an der UMG. In der Lehre setzt sie auf innovative fach- und berufsgruppenübergreifende Ansätze, zum Beispiel bei Vorlesungen mit dem Titel „Psychosomatik auf der Intensivstation“ oder „Psychosoziale Aspekte bei koronarer Herzkrankheit“ oder im psychosomatischen Unterricht am Krankenbett im Bereich der herzchirurgischen Intensivstation.
Die Preisträgerin
Dr. Monika Sadlonova, Jahrgang 1989, hat an der Comenius Universität in Bratislava (Slowakei) und an der Georg-August Universität in Göttingen Humanmedizin studiert. Es folgte die Facharztweiterbildung für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie an der Medizinischen Hochschule Hannover im Jahr 2015 und der Universitätsmedizin Göttingen (UMG) von 2016 bis 2020. Von 2017 bis 2019 nahm sie an zwei Qualifizierungsprogrammen für Nachwuchswissenschaftler*innen teil: „Klinische Forschung“, einem deutschlandweiten Zertifizierungsprogramm der Psychosomatischen Medizin, und am zweijährigen Margaret-Maltby-Mentoring-Programm zum Karrieremanagement. Im Jahr 2019 promovierte sie an der Georg-August-Universität Göttingen zu einem Thema an der Schnittstelle zwischen Kardiologie und Psychosomatik. Nach ihrer internistischen Rotation in der Klinik für Kardiologie und Pneumologie der UMG im Jahr 2018 begann sie im Jahr 2019 mit dem Aufbau der psychosomatischen Liaison-Strukturen in der Klinik für Herz-, Thorax- und Gefäßchirurgie der UMG. Nach ihrer Facharztanerkennung für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie im Jahr 2020, ging sie 2021 in die USA und arbeitete über einen Zeitraum von eineinhalb Jahren mit einem Forschungsstipendium als wissenschaftliche Mitarbeiterin in der Forschungsgruppe für Cardiac Psychiatry unter Prof. Jeff Huffman und Prof. Christopher Celano an der Harvard Medical School und dem Massachusetts General Hospital in Boston. Während dieses Aufenthaltes sammelte sie Erfahrungen in mehreren klinischen Studien, teilweise federführend, und beteiligte sich an diversen Publikationen, wodurch sie ihre internationale Anerkennung festigen konnte. Seit ihrer Rückkehr an die UMG im Oktober 2022 steht Dr. Sadlonova nach wie vor als Forschungsberaterin im wöchentlichen Austausch mit Forscher*innen der beiden Einrichtungen in Boston. Seit Ende 2022 arbeitet sie als Oberärztin in der der Klinik für Herz-, Thorax- und Gefäßchirurgie, der Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie und der Klinik für Geriatrie. Ihre Habilitationsschrift zum Thema „Psycho-Cardiology for Optimized Risk Assessment, Prevention and Treatment in Context of Cardiac Surgery and Cardiology“ hat sie im Juli 2024 zur Erlangung der Lehrbefugnis für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie an der UMG eingereicht.
Auszeichnungen und Preise
Für ihre Forschung wurde Dr. Monika Sadlonova 2018 mit dem MD Travel Award der American Psychosomatic Society, Louisville (USA) für ihre Promotionsergebnisse ausgezeichnet. Im Jahr 2019 erhielt sie den Young Investigator Award der American Psychosomatic Society, Vancouver (Kanada). Ihre I-COPE-Studie zur Beantwortung der Frage, ob der Heilungsverlauf durch unterstützende Maßnahmen nach einer Bypass-Operation verbessert werden kann, erhielt national und international viel Anerkennung. Im Jahr 2022 bekam sie für diese Studie den Neal Alan Mysell Award der Harvard Medical School in Boston (USA), den Research Fellow Award der American Psychosomatic Society in Kalifornien (USA), und den mit 2.000 Euro dotierten Hans-Roemer-Preis der Hans-Roemer-Stiftung und des Deutschen Kollegiums für Psychosomatische Medizin. Im Jahr 2023 wurde sie mit dem mit 10.000 Euro dotierten Jacob-Henle-Nachwuchspreis der Medizinischen Fakultät der UMG für ihre exzellente Forschung und Lehre geehrt. Zuletzt wurde sie im Jahr 2024 für ihre Delirforschung von der American Delirium Society mit dem Borten Family Foundation Junior Investigator Award und die Präsentation der FINDERI Ergebnisse mit dem Ethicon Award der Deutschen Gesellschaft für Thorax-, Herz- und Gefäßchirurgie (DGTHG) ausgezeichnet.
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