Wie Telefonate Herz und Seele stärken können: TEACH-Studie zeigt vielversprechende Ergebnisse für neues Versorgungskonzept

Die koronare Herzkrankheit (KHK) ist eine Durchblutungsstörung des Herzens, verursacht durch eine Verengung der Herzkranzgefäße, die den Herzmuskel mit Blut versorgen. Laut der Deutschen Herzstiftung zählt sie zu den häufigsten Herzerkrankungen und betrifft allein in Deutschland rund fünf Millionen Menschen. Viele von ihnen erhalten nach einem Krankenhausaufenthalt keine umfassende Nachsorge, die neben den körperlichen Symptomen auch psychische Belastungen wie Depressionen, Ängste oder Stress berücksichtigt.
An dieser Stelle setzte die TEACH-Studie („Efficacy of Team-based Collaborative Care for Distressed Patients in Secondary Prevention of Chronic Coronary Heart Disease“) an, die erstmals im europäischen Raum in Deutschland durchgeführt wurde. In der Studie untersucht, wie sich ein besonderes Versorgungsmodell, die Blended Collaborative Care oder auch TeamCare genannt, auf die Gesundheit, Lebensqualität und Zufriedenheit von Patient*innen mit KHK auswirkt. Die Ergebnisse zeigten, dass sich die Teilnehmenden psychisch besser fühlten, Risikofaktoren besser in den Griff bekamen und insgesamt zufriedener mit ihrer Behandlung waren.
„Wir brauchen in der Versorgung chronisch kranker Patient*innen neue Ansätze, die sowohl psychische als auch körperliche Aspekte berücksichtigen. TeamCare ist ein innovatives, praxistaugliches Modell, das nachweislich wirkt – und das mit überschaubarem Aufwand“, sagt Prof. Dr. Christoph Herrmann-Lingen, Direktor der Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie der Universitätsmedizin Göttingen (UMG).
Die TEACH-Studie wurde unter seiner Leitung an sieben deutschen Universitätskliniken (Göttingen, Bonn, Hannover, Homburg, Köln, Leipzig, Mainz) durchgeführt. Gefördert wurde die Studie durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung mit einer Fördersumme in Höhe von 3,27 Millionen Euro. Bei TEACH handelt es sich um eine sogenannte multizentrische, randomisiert-kontrollierte Studie, das heißt, sie fand an mehreren Standorten statt und die Teilnehmenden wurden per Zufall zwei Gruppen zugeteilt – der Behandlungsgruppe und der Kontrollgruppe –, um die Wirkung der neuen Betreuung wissenschaftlich zuverlässig zu prüfen.
Die Ergebnisse
„Nach den zwölf Monaten zeigte sich, dass die Patient*innen aus der Behandlungsgruppe deutlich von der Begleitung profitierten“, sagt Prof. Herrmann-Lingen. „Die Patient*innen in der TeamCare-Gruppe fühlten sich deutlich besser als diejenigen, die nur die Standardversorgung erhalten hatten. Ihre Lebensqualität hatte sich messbar verbessert, und viele gaben an, dass sie sich weniger gestresst oder ängstlich fühlten.“ Auch Risikofaktoren wie Bewegungsmangel konnten reduziert werden. Besonders positiv wurde die Betreuung auf seelischer Ebene bewertet – die Zufriedenheit mit der Behandlung war in der TeamCare-Gruppe deutlich höher.
„Zum ersten Mal konnten wir zeigen, dass die telefonische Begleitung durch ein speziell geschultes Team die Versorgung von seelisch belasteten Herzpatient*innen deutlich verbessern kann. Das ist ein wichtiger Schritt hin zu einer ganzheitlicheren und menschlicheren Medizin – in Deutschland und darüber hinaus“, betont Priv.-Doz. Dr. Sadlonova, geschäftsführende Oberärztin der Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie der UMG und ärztliche Koordinatorin der Studie
Die Ergebnisse der TEACH-Studie wurden im Juni 2025 in der internationalen Fachzeitschrift Psychotherapy and Psychosomatics veröffentlicht.
Originalpublikation:
Sadlonova M, Herbeck Belnap B, Becker I, Bersch K, Geiser F, Adenauer V, Hellmich M, Kindermann I, Zimmer A, Michal M, Ghaemi Kerahrodi J, Nöhre M, de Zwaan M, Petersmann A, Müller-Kozarez I, Ehlers M, Wachter R, Albus C, Herrmann-Lingen C; TEACH investigators. Efficacy of team‑based collaborative care for distressed patients in secondary prevention of chronic coronary heart disease: Results from the multicenter, randomized controlled TEACH trial. Psychotherapy and Psychosomatics (2025). DOI: https://doi.org/10.1159/000545865
Über die TEACH-Studie
An der TEACH-Studie nahmen 457 Patient*innen mit psychischer Belastung und mindestens einem unzureichend kontrollierten Risikofaktor für KHK (z.B. Bluthochdruck, Fettstoffwechselstörung) teil. Die Patient*innen wurden nach dem Zufallsprinzip in eine der zwei Studiengruppen eingeteilt: Während die eine Hälfte die gewohnte Standardversorgung erhielt (Kontrollgruppe), wurde die andere Hälfte zusätzlich ein Jahr lang von TeamCare-Fachkräften betreut (Behandlungsgruppe). Diese wurden zuvor in unter anderem Gesprächsführung, Psychologie und medizinischem Grundwissen zur KHK mehrere Tage geschult. Während der Betreuung arbeiteten sie eng mit den Hausärzt*innen und Kardiolog*innen der Patient*innen zusammen. „Ziel war es, herauszufinden, wie psychischer Stress, Sorgen oder ungünstige Gewohnheiten den Krankheitsverlauf beeinflussen und wie wir gemeinsam daran arbeiten können, die Lebenssituation der Patient*innen zu verbessern“, erklärt Priv.-Doz. Dr. Monika Sadlonova.. Ein Expert*innenteam aus Kardiologie, Psychologie und Psychosomatik begleitete das Projekt zwölf Monate durch wöchentliche Video-Supervisionen und achtete darauf, dass die Behandlung der psychischen Problematik und der KHK gemäß der Leitlinienvorgaben erfolgte. Entscheidungen über Medikamente und medizinische Behandlungen blieben weiterhin bei den behandelnden Ärzt*innen. „Es wurden aber gemeinsam individuelle Anpassungen bei der Behandlung vorgenommen“, so Dr. Sadlonova.
Studienansatz: TeamCare-Modell
Das Konzept der TeamCare wurde ursprünglich in den USA entwickelt und dort in ersten Studien erfolgreich erprobt. Es sieht vor, dass speziell geschulte nicht-ärztliche Fachkräfte bei der Behandlung der psychisch belasteten Herzpatient*innen unterstützen und diese in regelmäßigen Telefongesprächen kontaktieren. In diesen Gesprächen geht es darum, seelische Belastungen zu erkennen, bei Problemen im Alltag zu helfen und zu einem gesünderen Lebensstil zu motivieren. In Deutschland wurde dieser Ansatz bislang kaum genutzt, unter anderem, weil es noch keine Belege für seine Wirksamkeit im deutschen Gesundheitssystem gab. Die Nationale Versorgungsleitlinie für Chronische KHK, eine detaillierte, wissenschaftlich fundierte Empfehlung zur Behandlung und Versorgung von Patient*innen mit chronischer KHK, empfiehlt daher, solche Modelle auch hierzulande gezielt zu erproben.
Ansprechpartnerin Fachbereich:
Priv.-Doz. Dr. Monika Sadlonova, Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, für Herz-, Thorax- und Gefäßchirurgie, Klinik für Geriatrie, Telefon 0551 / 39-67231, monika.sadlonova(at)med.uni-goettingen.de
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